Mittwoch, 24. August 2011

Auf dem Weg zur Star Trek Gesellschaft

Die heisse Phase des Schweizer Wahlkampfs beginnt bald. Die Schweizer SP zieht dabei mit einem Parteiprogramm ins Rennen, das die "Überwindung des Kapitalismus" beinhaltet. Der ein oder andere mag dies schon wieder vergessen haben, aber bei der Verabschiedung des Ziels vor einem knappen Jahr waren die Reaktionen heftig.

Dabei ist die Überwindung der heutigen Systeme und Standards so sicher wie das Amen in der Kirche. So, wie man es vor 100 Jahren unmöglich fand, wie Menschen vor 500 Jahren miteinander umgingen, so finden wir es heute unerträglich, welche sozialen Standards vor 100 Jahren galten. Und man wird sich wahrscheinlich bereits in 50 Jahren die Stirn runzeln über unser heutiges gesellschaftliches "barbarisches" Miteinander.

Auch wenn es auf dem Weg Rückschläge geben wird, der Langfristtrend ist klar: Wir werden zu einer immer sozialeren, egalitären Gesellschaft. Galt vor 500 Jahren noch das "Recht des Stärkeren", wäre das heute als Erklärungsgrund für Ungleichheit inakzeptabel. Heute wird das "Recht des Intelligenteren" weitgehend noch als Eintrittskarte zu vergleichsweise höherem Wohlstand akzeptiert. Aber auch diese Form der Diskriminierung werden wir als Gesellschaft einmal unfair finden und überwunden haben. Auch wenn Statistiken dies nicht immer sofort erkennen lassen: Wir steuern zielstrebig auf eine immer "gleichere" Gesellschaft zu. Reine Einkommens- und Vermögenszahlen, die suggerieren sollen, dass "die Schere immer weiter auseinandergeht", führen hier irre. Man muss sich vielmehr den de facto Lebensstil eines Feudalherren vs. eines einfachen Bauerns im Mittelalter vorstellen und diesen Unterschied vergleichen mit dem heutigen Leben eines Firmeninhabers und dem eines seiner Fabrikarbeiter. Der Unterschied ist immer noch signifikant, aber deutlich geringer als in der Vergangenheit. Wen das noch nicht überzeugt, dem möchte ich die Beobachtungen einer jungen selbständigen Juristin und alleinerziehenden Mutter nahebringen, die mir kürzlich wohl freudig mitteilte, dass sie bereits doppelt so viel verdiene als noch vor drei Jahren, als sie ihre kleine Ein-Frau-Kanzlei öffnete. Nur wäre die Freude doch recht getrübt, da sie dennoch nahezu den gleichen Lebensstandard wie damals führe. Denn nicht nur die Steuern, sondern auch andere Ausgaben wie die Krankenkassenversicherung (in Deutschland häufig gehaltsabhängig) oder der Kindergartenbeitrag sind ins Verhältnis zum Einkommen gesetzt. Und so mag sie mit ihrem neuen Einkommen in einer anderen statistischen Einkommensklasse sein, ihr Leben ist aber mehr oder weniger das Gleiche geblieben. Sie zahlt einfach mehr für Vieles.

Wir pflegen also bereits Systeme, die deutlich egalisieren. Irgendwann werden wir als Gesellschaft kaum mehr grosse Unterschiede im Lebensstandard akzeptieren. Eine Vision, der wir alle schon auf recht unpolitischem Terrain begegnet sind: Die 1966 von Gene Roddenberry geschaffene Fernsehserie "Star Trek" (Raumschiff Enterprise) findet in genau einer solchen egalitären Menschenwelt statt. Die Welt von Star Trek ist eine, in der "die Menschheit die meisten der heutigen Probleme, wie etwa soziale Ungleichheit, Rassismus, Intoleranz, Armut und Krieg, überwunden hat. Auch Kapitalismus und Geldfunktion existieren nicht mehr. Die Menschheit ist zu einer globalen Einheit herangewachsen und verfolgt gemeinsam andere Ziele, so etwa die Besiedlung von Planeten über die Erde hinaus." (Wikipedia)

Alles unrealistisch? Ich sehe es genau umgekehrt. Es ist das einzige Endresultat, das Sinn macht vor dem Hintergrund der unser Denken dominierenden humanistischen Prinzipien menschlichen Zusammenlebens. Diese Prinzipien mögen nicht unserer Natur entsprechen. Sie setzen voraus, dass unser Verstand über unsere Instinkte siegt. Und vor allem wird es einen Ersatz für den Anreiz, Leistung zu erbringen geben müssen. Dies könnte zum Beispiel gesellschaftliche Anerkennung sein. Aber das Ziel am Ende des Weges ist klar: Wir werden zu einer Star Trek Gesellschaft. Wetten?

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